Gret Keller: Kaiser Friedrich Barbarossa

Gunzelin kniete sich wieder neben Rudolf und wies Melchior und Bernfried an, die Fackeln so zu halten, dass er eine gute Sicht auf die Wunde hatte. Sein Knappe Malte hatte sich auf die andere Seite gekniet.

“Wirft das Öl kleine Bläschen?”
“Ja, Herr.”
“Dann haltet es bereit!”
Gunzelin sah Malte ernst in die Augen und nickte. Malte legte eine Hand neben die Wunde und ergriff mit der anderen die Pfeilspitze. Gunzelin von Hagen legte ebenfalls seine linke Hand an, sodass die zwei Männerhände das verletzte Gebiet fest umschlossen. Dann holte Gunzelin sein Messer heraus und führte einen entschlossenen Schnitt direkt neben dem Pfeil durch. Noch ein Schnitt. Blut quoll hervor. Ein beherzter Ruck, und Malte hatte den Pfeil herausgezogen.
Rudolf, der vorher nur schwach bei Sinnen gewesen war, bäumte sich schreiend auf.
“Haltet ihn fest und bringt mir das Öl, schnell!”
Immer noch wurde die nun stark blutende Wunde mit den Händen zusammengedrückt.
“Vorsicht! Langsam und nicht zu viel!”
Augenblicklich roch es nach verbranntem Fleisch.
Rudolf winselte und versuchte, sich zu befreien.
“Die Blätter, beeilt euch!” Der Ritter legte Weinblätter auf die Wunde und verlangte nun nach dem bestellten Tuch. Zwischendurch senkte er die Stimme und sagte zu Rudolf: “Ruhig, Kamerad, hast es ja überstanden!”
Nachdem der Verband angelegt war, stand Gunzelin von Hagen auf und massierte sich die Beine.
Rudolf lag zitternd auf seiner Matratze und schnaufte. Sein Körper schwitzte stark.
“Bringt ihm gekühlten Wein, damit er die Hitze loswird! Er hat viel Blut verloren. Lasst ihn Wein trinken, so viel er will! Dann lasst ihn schlafen!”
Gunzelin wandte sich nun wieder an Michel:
“Hast du den Malvasier?”
Michel nickte und hielt den Krug ins Licht.
“Gut. Gieß mir einen Becher davon ein und wenn ich mich gestärkt habe, verbinde ich deinen Vater.”
Michel, dessen Gesicht im Schein des Feuers sehr blass wirkte, zitterten die Hände, und er verschüttete etwas von dem teuren Wein. Plötzlich langte ein Arm von hinten über seine Schulter und der Krug wurde ihm aus der Hand genommen. Gleichzeitig legte sich die andere Hand des Mannes auf Michels Schulter. Der erschrak und blickte sich um.
Es war Herzog Heinrich, der ihn nun ansprach:
“Bist ein wenig schreckhaft, was? Ja, das ist ein hartes Geschäft. Wer ein Kriegsmann sein will, muss sich auch mit Wunden auskennen. Sonst hält der Sensenmann allzu reiche Beute auf dem Feld. Mach dir keine Sorgen, die Verletzung deines Vaters ist längst nicht so schlimm, und außerdem hat er das Bewusstsein noch nicht wiedererlangt. Da hat er noch Glück gehabt. Wirst sehen, morgen plagt ihn ein tüchtiger Brummschädel, und du musst seine schlechte Laune ertragen.”

(Auszug aus dem Romanmanuskript von Gret Keller, Magdeburg)

 


 

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